Resümee

Es waren eine Reihe von Ländern, die ich, kurz nach Ende der Tour, schon selbst nur stockend hintereinander aufzählen kann. Aber es war halt „der Balkan“.

Wenn mich jemand (der nicht den Blog gelesen hat) fragt „Und, wie war’s?“, dann ist das der Aufhänger für dieses Resümee. Was fällt mir als erstes ein, was war gut, was nicht so gut, würde ich es nochmal machen, wenn ja warum wenn nein warum nicht etc.

Fangen wir mit dem an, was mir als erstes in Erinnerung ist: Der Balkan ist eine Region zum Motorradfahren:

Es gibt sensationelle Strecken, die meisten einsam, die wenigen berühmten schon voller. Aber immer wieder überraschend. 30, 50 Kilometer und mehr am Stück ohne Kaff, die Straße mal breit mal schmaler, aber immer hochaktives Motorradfahren. Selbst die schlechten Straßen, die Sackgassen, alles mit dem Motorrad sehr intensiv. Du und dein Bike.

Denn, eines ist (meiner Meinung nach) der Balkan NICHT:

Eine Region für unvergleichliche Naturdarbietungen. Überwiegend bewaldete / bebuschte Berge, ab und zu schon etwas spektakulär, aber nichts, was man nicht schon im Spessart oder in den Dolomiten gesehen hat. Für die paar eindrucksvolle Schluchten

und Berge allein lohnt der Aufwand nicht. Und es wechselt sich auch nicht permanent ab, so wie z.B. in Marokko. Wald, Wald, Tal, Bach, Berg, Wald, Fluss, Wald, Hügel. Ab und zu eine weite Ebene, die man auf schnellen geraden Straßen durcheilt und an die Pfalz erinnern.

Es gibt jedoch schon das ein oder andere zu besichtigen und zu bestaunen:

Alte Klöster, ein paar (wenige) nette Innenstädte, aber auch im Vorbeifahren ist der Blick auf die zivilisatorischen Errungenschaften lehrreich, abwechslungsreich, interessant: Sehr viele „lost places“, verlassene Fabriken, verwilderte alte Häuser (noch mit Einschusslöchern), Bauruinen, aber dann wieder putzig (oder kitschig) verspielte Häuser,

eine bunte Vielfalt, die tatsächlich wesentlich abwechslungsreicher ist als die Landschaft. Die einzige Stadt, die ich besucht habe, Timisoara in Rumänien,

würde ich auf alle Fälle wieder befahren.

Nur so manches touristisches Highlight wie der Koman-See in Albanien kann man streichen: Grauenvolle Anfahrt, zugemüllter See.

Zu „Land und Leute“ gehören eben auch die „Leute„.

Den wenigen Kontakt, den ich hatte (an der Tankstelle, beim Bäcker, im Hotel) war immer freundlich, aufmerksam und hilfsbereit. Nun gibt es geschichtlich nicht „DEN Balkanesen“ (Balkanier? Balkanierenden?), der Balkan war schon immer eine „Durchgangs“-Region. Hier wanderten ganze Völker durch, manche blieben, vermischten sich mit denen die schon da waren, dann herrschten hier verschiedenste Reiche (Osmanische Reich, Oströmisches Reich, Österreich-Ungarn etc.) und brachten ihre kulturellen Einfluss in die Region. Ein wahrer Mischmasch, der mit dem Zusammenbruch von „Jugoslawien“ auseinanderbrach. Auf einmal war man wieder Serbe oder Bosnier oder bosnischer Serbe oder serbischer Bosnier undsoweiter. Das ist bis heute spürbar: Vielfache Identifikation mit einer dieser unzähligen „Ethnien“. Ich kann als Durchreisender beim besten Willen keinen Unterschied zwischen Albanern, Montenegrinern, Mazedoniern, Kroaten etc. erkennen. Selbst die Sprachen sind ähnlich, die meisten haben „slawischen“ und albanisch hat „indogermanischen“ Ursprung. Aber mit englisch kommt man überall durch, nur einmal habe ich Google Translate nutzen müssen, und ging auch.

Und Motorradfahrer gibt es dort auch viele, und sie sind sehr sehr nett.

Es gibt jedoch Unterschiede bei den Autofahrern: Sehr auffällig ist, dass in Rumänien die Autofahrer besonders nett und aufmerksam gegenüber Motorradfahrern sind, ähnlich wie in Frankreich. Kaum sehen (oder hören) sie dich, machen sie Platz, blinken wenn frei ist, bremsen auf kurzen Passagen, wo man überholen könnte, damit du schnell vorbei kommst. Und das war in Rumänien sehr auffällig. In Bulgarien war es ähnlich, nicht ganz so ausgeprägt. Am wenigsten in Slowenien, da versuchen überdurchschnittlich viele Autofahrer, den Motorradfahrern zu zeigen, dass sie mehr können. Woher diese deutlichen Unterschiede kommen kann ich naturgemäß nicht erklären, ich kann es nur feststellen.

Zurück zur Eingangsfrage: „Würdest du es nochmal machen?„. Dazu ein klares „Ja, ABER…“.

Ich habe ja einen sehr gründlichen Routenplan gemacht, mal kleine mal größere Straßen ausgesucht, nach dieser ersten Tour würde ich die nächste etwas anders planen:

  • Slowenien bietet nord-westlich von Ljubljana einen tollen Naturpark, der kann noch etwas mehr als was ich gesehen habe.
  • In Kroatien gibt es oberhalb der Küstenstraße „Magistrale“ ein paar Strecken, da ist die Aussicht besser und der Verkehr weniger. Die Magistrale ist zugekafft und vollgestopft. Eher Hinterland.
  • In Bosnien lauern halt überall Überraschungen. Sich auf „rote Bundesstraßen“ zu konzentrieren hilft nicht, etliche kleine gelben Straßen sind erstaunlich gut, aber auf Schotter muss man vorbereitet sein. Außerdem hat Bosnien sehr wenig Autobahn, also läuft sehr viel LKW-Verkehr über die wirklich guten Straßen. Hier würde ich anders planen.
  • Bulgarien kann noch etwas mehr. Im südlichen und im nördlichen Gebirge gibt es tolle Strecken, davon gibt es wohl noch ein paar mehr.
  • Die Karpaten in Rumänien intensiv nutzen. Aber die „roten Bundesstraßen“, die da kreuzen, genau anschauen: Sind sie wenig kurvig, dann gehen sie ein Tal entlang und sind voller LKW. Transfagarasan ist schon toll, wenngleich etwas überschätzt, die Transalpina finde ich etwas eindrucksvoller. Aber auch in den Karpaten gibt es eine Reihe mehr Straßen, da sollte man sich Zeit lassen.
  • Überhaupt Rumänien: In einer Tourbeschreibung eines Veranstalters habe ich gelesen, dass man da „ins Mittelalter“ fährt, mit einem Bild von einem Pferdekutschwerk. So ein Quatsch. Rumänien ist eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder auf dem Balkan, hat sogar ein höheres durchschnittliches Einkommen als Kroatien, was ja als recht erfolgreich gilt. Ich war zwei Übernachtungen in Rumänien, das nächste mal vielleicht drei.
  • Albanien hat bei mir leider gelitten, weil die zwei „Highlights“ (Teth und Koman-See) für mich ein völliger Reinfall waren. Beim nächsten mal andere Bergstraßen wählen, da gibt es genug, und sie sind in der Regel in einem ordentlichen Zustand.
  • Der Durmitor Nationalpark in Montenegro war wirklich schön, nur echt früh von Westen rein, denn von der Ostseite aus starten die Touristen.
  • Gerne hätte ich einen Abstecher nach Griechenland gemacht, sollte ich beim nächsten mal in Betracht ziehen und dafür Nord-Mazedonien einsparen und einen Tag mehr einplanen.
  • Im Kosovo war ich nicht, ist eh recht klein und wahrscheinlich kein großer Unterschied zu den umgebenden Ländern, und Serbien mag ich halt nicht, und würde beim nächsten mal auch nur zum Transfer nutzen.
  • Nicht durch Ungarn zu fahren sondern wieder zurück zum Westbalkan auf die Heimroute zu gehen war eine gute Idee, würde ich wieder machen. Da gibt es genug Strecken für Hin- und Rückfahrt.

Abgesehen von der Route habe ich weitere Erfahrungen gemacht, die mir beim nächsten Mal helfen werden:

  • Campingsachen braucht es nicht zwingend. Es war praktisch für die eine Nacht auf dem Motorradtreffen, aber die Hotel/Pension-Suche war jeden Abend so einfach und vergleichsweise günstig (mal für 15 €, mal für 55 €), da lohnt der Campingplatz nicht. Zumal das Wetter doch mal einen kurzen Schauer bringen kann, ist halt sehr gebirgig.
  • Kulinarisch ist es so lala: Die Hotelrestaurants waren schon ok, aber in bleibender Erinnerung ist da wenig geblieben. Teilweise gab es zum Salat kein Olivenöl, was schon peinlich ist. Aber man wird satt. Ich hatte ein paar Kiwis mitgenommen und dort nachgekauft, das ist gegen Mittag sehr praktisch. Würde ich wieder machen.
  • Tanken geht überall, ich plante immer eine Reserve von 100 Kilometer ein, denn manchmal ist schon mal 80 Kilometer keine Tankstelle zu finden. Unterscheidet sich von Land zu Land, aber um mir das nicht merken zu müssen bin ich mit 100 Kilometer Reserve immer gut gefahren.
  • Wo wir schon an der Tankstelle sind: Die meisten bieten auch ein Café an, und nahezu überall kann man mit Karte bezahlen. Lokales Geld habe ich nur in Bulgarien und Rumänien gebraucht (50 € aus dem Automat reichen)
  • Wetter: Besser als gedacht, aber ab und zu schlechter als erhofft. Durch die Berge gibt es halt oft Wolken und Regen, der in der Regel aber flott abzieht. Bei kleineren Regengebieten kann man diese gut umfahren.
  • Tagesetappen: Ich plante mit 350 Kilometer im Schnitt, und habe diesen weit übertroffen. Das lag aber daran, dass ich allein unterwegs war und bei gutem Wetter bin ich halt gefahren, gefahren…. In der Planung würde ich bei 350 km bleiben, wenn man schneller ist, hat man halt etwas Zeit und Puffer rausgeholt.

Und ich würde die Tour wieder mit einer Honda fahren… So eine unerschütterliche Zuverlässigkeit erzeugt eine innere Gelassenheit, die den Spaß am Fahren erhöhen und die volle Aufmerksamkeit auf all die Eindrücke lenken, die es zu bemerken und zu bearbeiten gibt, und kein Gramm auf die Technik. Weil die halt funzt.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Avatar von Werner Werner sagt:

    Danke Dir, immer wieder schön, auf Deinen Touren ein bisschen mit dabei zu sein.

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  2. Avatar von andreashwalter andreashwalter sagt:

    Gefällt 👌

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