Nach einer letzten 260 km-Tour am letzten Tag (wieder durch das Tal nach Porto, hoch nach Calvi, und ab da über Bundesstraße nach Corte) und der geruhsamen Rückfahrt konnte ich ein paar Gedanken sammeln, wie ich die Motorradtour durch Korsika für mich bewerte.
Es ist, denke ich, aus den bisherigen Blogbeiträgen rauszulesen, dass die Insel geradezu für Motorradfahren gebaut wurde. Bzw. wenn schon nicht die Insel, dann doch die Straßen. Mit einem Wohnmobil ist nur ein geringer Teil tatsächlich gut befahrbar (das wissen wohl auch die meisten Womo-Fahrer, denn es gab nur wenige davon), mit dem Auto schon etwas besser, aber da auf den meisten Straßen für lange Zeit kein Platz (Breite und Länge) zum Überholen ist, kann auch eine Autorundfahrt schnell zäh werden, wenn man sich dann hinter einem der seltenen Wohnmobile oder den etwas häufigeren Camper-Mobilen (vornehmlich VW-Bus) einreihen muss. Nur mit dem Motorrad lassen sich all die Straßen genüsslich erleben.
Und diese Straßen sind meiner bisherigen Erfahrung nach in Europa einmalig. Wie oft soll ich noch von der Strecke Corte-Porto vorschwärmen? Schlucht/Wald/Schlucht auf 80 Kilometer, zwei Käffer dazwischen?

Unfassbar abwechslungsreich, anspruchsvoll zu fahren, landschaftlich sehr reizvoll. In den etwas kühleren Bergen durch die noch etwas mehr kühlenden Wälder, oder am Meer entlang, immer eine frische Brise um den Helm und wunderschönen Ausblick,

die Insel bietet abwechslungsreiche Landschaft.
Fahrerisch sind die Straßen (teilweise selbst die „roten“ Bundesstraßen) anspruchsvoll, denn lange Strecken lang NUR Kurven. Links rechts links rechts links rechts, stundenlang.

Kaum Zeit zum Schalten und/oder Gasgeben. Und die Kurven sind in den allermeisten Fällen NICHT „gerade“ gezirkelt, sondern unterwerfen sich bedingungslos der Landschaft. Viele Kurven ziehen sich zu, als Fahrer sollte man wirklich geübt sein, in der Kurve die Schräglage nochmal zu erhöhen. Nicht allen gelingt es, einige Male sind mir auf meiner Seite Mopeds entgegengekommen, weil die Fahrer den „krummen“ Radius unterschätzten. Das bedingt auch, dass mit Motorrädern ohne Schräglagenfreiheit (Harley…) die Insel nicht wirklich Spaß macht, weil jede Kurve dann nur echt langsam durchfahren werden kann (und da es ja NUR Kurven gibt, wird alles recht langsam…).
Der Belag wechselt häufig, gleichwohl wirklich schlechter, nahezu unfahrbarer Belag nur auf wenigen Strecken gefunden wurde. Dabei macht die Farbe der Straße (auf der Michelin-Karte) keine Vorhersage über den Zustand. Auch die sehr schöne Küstenstraße von Porto nach Calvi ist über große Teile recht ruppig, ein Fahrwerk mit Reserven ist hilfreich.
Erneut der Hinweis, dass so gut wie keinerlei Maßnahmen an der Straße getroffen wurden, den Verkehr sicherer zu führen. Keine Schilder, keine Leitplanken, schmale Straßen, Nutztiere und deren Verdauungs-Artefakte mitten im Scheitelpunkt: alles Rahmenbedingungen, die die volle Aufmerksamkeit fordern.

Also: Keine Insel zum Cruisen sondern zum herzhaften Kurvenjagen und zum Lernen und/oder Übenübenüben…
Die anderen Verkehrsteilnehmer sind, sofern italienisch oder französisch, sehr sehr liebevoll zu Motorradfahrern: Kaum erkennen sie im Rückspiegel ein Motorrad, geben sie sich alle Mühe, dass sie so schnell und einfach wie möglich überholt werden: Sie bremsen ab und fahren rechts, winken, blinken. Sowas kenne ich aus Deutschland überhaupt nicht. Das merkt man auch, wenn man hinter einem Camper aus Deutschland festhängt: Der kennt diese Form der Kooperation nicht und wartet darauf, dass der Motorradfahrer selbst einen geeigneten Zeitpunkt zum Überholen findet. Aber es sind Touristen aus allen Ländern, die in einer Kurve parken um eine Kuh zu fotografieren. In den touristischen Highlight-Städten gibt es kostenlose Motorradparkplätze meist in der ersten Reihe, auch so ein Hinweis, dass die Korsen die Motorradfahrer gerne haben.
Geschwindigkeitskontrollen gibt es nur auf den Bundesstraßen, fest und mobil, wobei man sich auf den Nebenstraßen schon Mühe geben muss, die erlaubten 80 zu überschreiten. In jedem Dorf ist 30 angeschrieben, die Speedbumper sind großteils so ausgelegt, dass Autos wirklich auf Stillstand runterbremsen müssen. Mit einer Enduro und im Stehen lassen die sich auch mit 70 überqueren, mit einer Straßenmaschine käme es auf einen Versuch drauf an (der, glaube ich, schon bei 30 Sachen die Dämpfer ans Limit bringt).
Die Verpflegung ist herzhaft und sehr lokal: Überall gibt es die „Charcuterie“-Platte, bestehend aus lokalem Schinken und Salami der Schweine, die hinterm Haus ein zumindest offensichtlich gemütliches Leben führen,

oftmals um lokalen Käse erweitert von den ebenso lokal lebenden Ziegen und Schafen. Beides, Wurst und Käse, sind wirklich lecker und eine lokale Spezialität, der Käse wird auch gerne in Warmspeisen verarbeitet. Das lokale „Pietra“-Bier ist gut trinkbar, einen gut trinkbaren lokalen Wein haben wir nicht gefunden (bei aller Mühe). Die Preise sind angemessen bis touristisch, je nach dem, wo man isst.
Wir haben die Tour von einem festen Basecamp aus gefahren, jeden Abend im gleichen Appartment. Das vergrößert zwar etwas die Tagestourlänge und man befährt den ein oder anderen Kilometer mehrfach (was eher Vergnügen denn Langeweile mit sich bringt), aber dafür muss man nicht ständig packen und das Gerödel tagsüber mit sich rumschleppen. Corte hat sich da als zentraler Standort angeboten: Es liegt zentral und ist hinreichend wenig vom Tourismus geprägt, so dass wir Abends in einer Mischung aus Tagestouristen und Anwohnern unterwegs waren.
Für uns war es das erste Mal, aber nicht das letzte Mal. Diesen Kurventraum werde ich auf alle Fälle nochmal leben.
Aus Gründen der journalistischen Transparenz erfolgt dieser Hinweis: Diese Motorradreise wurde vom französischen Fremdenverkehrsamt gesponsert.😉
Spaß beiseite, Korsika ist wohl immer noch eine Reise Wert. Andi hat letztes Jahr die Insel vom Meer aus besucht hat und damit meinen Appetit auf Korsika erneuert. Der Bericht von Dir für Motorradfahrer hat dieses Gefühl noch gesteigert. Das hat mich veranlasst in meinem Gedächtnis zu kramen und ja ich war auch schon 1987 in Korsika unterwegs und zwar mit dem Fahrrad und zu Fuß.
Unser Stützpunkt war Porto und die Königsetappe war die Fahrt mit dem Fahrrad von Porto hoch zum Col de Vergio (etwas mehr als 1400 Höhenmeter). Heute würde ich das vermutlich nicht mehr schaffen, obwohl – es gibt ja jetzt E-Bikes. 😋
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Dieser „Col de Vergio“ ist dieses Traumtal, von dem ich gesprochen habe. Und ja, da gibt es auch E-Bikes, die da hochrollern. Tolle Strecke.
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Mein Freund, du scheinst sehr zufrieden mit euren wunderschönen Touren. Kommt weiterhin gut durch und genießt auch die sonnige Heimfahrt.
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