KTM 690 Enduro R („Raptor“)

Warum

Eigentlich wollte ich ja mit der AfricaTwin die erste Marokko-Tour 2021 fahren, trotz erheblicher Bedenken des Tourguides. Als ich dann mal seine 690 Probe gefahren bin, war schon nach wenigen Kilometern klar: Das muss es sein. Handling wie ein Mountainbike, ein Zug an der Kette wie ein hungriger Raptor. Ich habe mich dann für das 2019-er Modell entschieden, da mit etwas mehr Sicherheitsfeatures ausgestattet (schräglagenabhängiges ABS und Traktionskontrolle).

Einzig dieses Orange ist halt so eine Sache…. ich arbeite dran.

Im Acker…

zeigt sich der Nutzen. Wirklich viel handlicher als die AfricaTwin, sind ja auch rund 70 Kilo Unterschied. Das merkt man nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Aufheben.

Die Ahnen

Und die 690 ist ein mittlerweile doch ausgereifter Motor. Die Urväter gehen bis in die 80-er Jahre zurück, als der „LC4“-Motor (für „Liquid cooled 4 stroke“, also wassergekühlter 4-Takt Einzylinder) in fünf jähriger Entwicklungszeit aufgebaut wurde. 1987 kam er auf die Straße (bzw. in den Enduro-Einsatz, die Heimat von KTM), und auch sofort aufs Podest mit dem Gewinn der Enduro-Europameisterschaft. Doch die KTM-Motoren waren auf Wettbewerb ausgerichtet, alte Modelle haben keinen Kilometerstand-Zähler, sondern nur Betriebsstunden-Zähler. Und nach 20 oder 50 Stunden musste halt der Kolben ausgetauscht oder ähnlich aufwändige Wartungsarbeiten erledigt werden. So ging KTM („Kraftfahrzeuge Trunkenpolz Mattighofen“) 1991 Pleite. Die Übernahme durch Stefan Pierer („Cross Industries AG“) brachte frisches Geld und eine Vision: Der Erfolg liegt auf der Straße, mit einem klaren Statement: „Ready to race“ (übernommen von den Husaberg Ingenieuren, bevor die Marke 1995 von KTM gekauft und 2013 eingestellt wurde).

So erschien 1992 dann auf der Motorradmesse IFMA in Köln die KTM 640 „Duke“: 17 Zoll Felgen, hohe Sitzposition für irre Schräglagen, Kraft für Wheelies, alles außer echter Alltagstauglichkeit. Und dieses echt strenge Orange….

Der Großvater

Die Entwicklung des LC4-Motors ging weiter und brachte verschiedene Hubraumvarianten für Offroad und Straße hervor. 1996 gab es sogar einen E-Starter (gehässige Zungen behaupten, „KTM“ heißt „Kick ten minutes“…). Ein Jahr drauf erschien die „Adventure“-Baureihe als alltagstaugliche und zivil nutzbare Reiseenduro. Zwar war die Zuverlässigkeit noch lange nicht auf einem Honda-Niveau, aber KTM kommt halt aus dem Wettbewerbsbereich und versuchte, ihre Technik auf die Straße zu bekommen, während Offroad-Fahrzeuge bei den Japanern meist umgerüstete Straßentechnik war (Naja, Honda hat ja auch aus der Dakar-Maschine eine unverwüstliche Straßen-Enduro gebaut). Aber KTM hatte ab 2001 mit der KC4 660 R auch etliche Dakar-Siege, also irgendwas haben die AfricaTwin und die KTM schon gemeinsam…

Die 690 Enduro R kam 2008 als Nachfolger der 640 Enduro (rechts) auf den Markt (die wir auch ab und zu in der Lounge stehen haben) und platziert sich als Geländemaschine, mit der man auch auf der Straße fahren kann (im Gegensatz zu den Straßen-Enduros, die für die Straße gebaut sind und mit denen man auch im Gelände fahren kann). Die Kraft wuchs im Laufe der Jahre von 63 PS bis heute 74 PS, der Motor ist damit der stärkste in Serie gebaute Einzylindermotor der Welt. Bei einem Kampfgewicht von 145 Kilo (vollgetankt) bewegt also ein PS weniger als zwei Kilo Motorrad. Ein Mercedes C-Klasse Kombi von AMG mit V8-Motor und 370 PS muss halt dennoch 1700 Kilo bewegen, also ein Mercedes PS bewegt rund 4,5 Kilo Mercedes-Blech. Also wer glaubt, ein AMG zieht flott davon, der sollte mal bei der KTM den Hahn spannen…

Der Konzern

In der Zwischenzeit ist KTM zu Europas führenden Motorradhersteller geworden (in Deutschland noch auf Platz 2 hinter BMW), die Jahresproduktion von 1992 wird mittlerweile in einer Woche hergestellt, der Zukauf von Husqvarna (einst schwedischer Motorradhersteller und nach wenig erfolgreicher Rumschieberei von einem zum anderen Hersteller, am Schluss bei BMW) ermöglicht KTM ihre Technik in etwas gefälligeren Farben und für ein nicht ganz so renn-affines Publikum zu verkaufen (Siehe Husky 701). Mit immerhin knapp 40% Anteil an der Gesamtproduktion sind Offroader immer noch ein Markenkern von KTM, die 60% Straßenmaschinen stehen mit ihrem polarisierenden Design für den anderen Markenkern.

Der Raptor

Ab 2012 gibt es bei der 690 keinen „Gas-Zug“ mehr, sondern „Drive by wire“: die Drosselklappe wird elektronisch angesteuert. Ab 2014 gab es dann auch ABS, ab 2019 schräglagenabhängig inklusive Traktionskontrolle und, was beim Herausbeschleunigen aus Serpentinen-Kehren sehr praktisch ist, einen „Quickshifter“, d.h. schalten ohne kuppeln.

So habe ich mich dann für das 2019-er Modell mit diesen elektronischen Features entschieden. Unverbastelt (etliche bauen sich ja einen teuren, lauten und nutzlosen Auspuff drauf), 1. Hand und wenig Kilometer.

Die Frechheit

Ich meine, die Verbesserung der Technik ist ja schon eine schöne Sache. Aber ein „Cockpit“ dieser Form und Funktion (ab Baujahr 2019 !!) ist nicht nur ein Rückschritt in die 80-er Jahre (die ersten Casio Digitaluhren sahen so aus), sondern eher eine Frechheit. Im fahraktiven Zustand wird mir gerade mal die Geschwindigkeit in großen Ziffern angezeigt, das wars. Keine Drehzahl, keine Ganganzeige, keine Öltemperatur, keine Tankanzeige oder irgendwas anderes, was moderne Motorräder in ihren modernen Displays so zur Verfügung haben und während der Fahrt durchaus hilfreich sein kann. „Reduktion auf das Wesentliche“ hat sich wohl ein Marketingfuzzi bei KTM ausgedacht, aber echt Leute. Ich versuche immer noch, die lokale KTM-Werkstatt zu motivieren, mir ein Cockpit aus dem Zubehör einzubauen. Ist halt bisserl Elektronikbastelei, das kann doch nicht so schwer sein.

Customizing

Aber auch die 690 Enduro kam nicht so aus der Fabrik, wie ich sie mir gewünscht habe, ich musste noch einiges anbauen, damit sie reisefertig wurde: leichte Kofferträger mit niedrigem Schwerpunkt und eine Heckplatte, Halterung fürs Garmin (und für die Dampfe…) , einen soliden Motorschutz mit integrierten Werkzeugfach, und stabile Handguards. Die haben in MeckPomm zwar die Hebeleien geschützt , aber ein Rückspiegel ist dennoch auf der Strecke geblieben. Nun, ein bisschen Schwund ist immer.

Das Erste, was ich nach der Heimkehr aus den Dolomiten noch aus der Garage heraus bestellt habe: Eine Sitzbank, die ihren Namen auch verdient hat.

Und dann ein erster Versuch, dieses Orange zu minimieren: Seitenteile foliert in Carbon-Optik, Frontmaske und Fender in schwarz.

Lenkungsdämpfer

Dieses teure Teil verhindert das Flattern des Lenkers im Sand. Tut er tatsächlich.

Gallionsfigur

Gehört irgendwie dazu. Ist zwar ein T-Rex und kein Raptor, aber sieht trotzdem gut aus.

Und noch ein paar Bilder aus dem realen Leben.